Die Fahrt der Algrid Hjalske

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Die Fahrt der Algrid Hjalske
Geschichte
Serie: -
Unterseiten
Errata: -
Mitwirkende
Autoren: Frank Mienkuß
Illustrationen: -
Aventurische Informationen
Aventurisches Datum: PRA 1023 BF
Ort: Thorwal
Verfügbarkeit
Erscheinungsdatum: Sep. 2000
Erschienen bei: Thorwal Standard 13
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Rezensionen:
Weitere Informationen:
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'Oh Swafnir! Dreh den Wind oder sende mir einen Schwarm deiner Kinder, damit ich rechtzeitig nach Thorwal gelange!'

Betend stand ich am Bugsteven des Drachen, der durch den Golf von Prem eilte. Meine Hand lag verkrampft am Hals des grimmigen Drachenkopfes, den ein wahrer Künstler gefertigt hatte. Der Ostwind fuhr mir ins Haar und brachte es zum wehen. Das Praiosgestirn war schon vor einigen Stunden untergegangen und es mochte schon die erste Stunde des 13. Praios angebrochen sein. Weiter und weiter pflügte die Gischtwind durch das Meer Richtung Thorwal. 'Oh Swafnir, laß mich nicht zu spät kommen'.

Der Bote, der am Mittag des 12.Praios in Prem eintraf, sprach nur davon, daß das Ultimatum am 13.Praios enden sollte, aber er wußte nicht, ob am Morgen oder am Abend. Und ich wußte, würde ich nicht vermittelnd eingreifen, so würde es für uns Thorwaler übel ausgehen.

„Mutter?“ - „Ja, Rottmar, was ist?“ - „Willst du dich nicht schlafen legen,“ die Stimme meiner Tochter klang besorgt, „du bist schon so lange auf den Beinen.“ - „Wie sollte ich bei der Gefahr, die unserer Heimat droht, schlafen können,“ entgegnete ich meiner Tochter. „Na, na, na, Algrid! Übertreibst du nicht ein wenig,” sprach Tore Torbenson, der weitgereiste Skalde und Verlobte meiner Tochter. Er trat zu mir und Rottmar an den Drachenhals. „Vor den Horasiern sollen wir nicht bange sein. Mit den verlausten Orks, den geifernden Praiospfaffen und den Sklavenjägern sind wir schon fertig geworden, da werden uns doch die affigen Horasier nicht klein kriegen.“

„Du unterschätzt die Horasier“, meinte Rottmar zu Tore. „Ich habe lange genug im Lieblichen Feld gelebt, und sie sind uns im Schiffsbau, wie auch in der Waffentechnik weit voraus.“ Tore schwieg betroffen. „Ja,“ beteiligte ich mich wieder am Gespräch, „und wenn wir sie nicht besiegen können, was sollen wir dann machen? Ich glaube, eine zweite Diaspora würde unser Volk nicht überstehen. Wohin sollten wir uns auch wenden?“ „Und du glaubst, Tronde und der liebfeldische Kommandant hören auf deinen Ratschlag,“ fragte Tore zweifelnd. „Sie müssen!“ Mein Blick schweifte wieder nach Osten. „Sie müssen, oder Swafnir steh uns bei!“ Gemeinsam wachend verbrachten wir die Nacht am Bug der Gischtwind.

Plötzlich erschien ein Glühen am östlichen Horizont. Ich hoffte schon auf das Aufgehen des Praiosgestirns, als Tores Worte mir das Herz stocken ließen: „Selbst für den Praios ist es zu früh!“ Mit brennenden Augen starrte ich auf das düstere Glühen am Horizont. Oh Swafnir, warum?

Gunnar Hjalfsson, der Hetmann der Gischtwind, trat neben uns drei und fragte mit stockender Stimme: „Ist... ist das Thorwal?“ Die einzige Antwort war Tores Nicken. Die ohnedies schmächtige Gestalt de8 Spann messenden Gunnars schien noch mehr in sich zusammen zu sinken. Doch mit einem wilden Funkeln in den blauen Augen warf er den Kopf zurück und rief, nein, er schrie: „Nein. NEIN! Das ist die Flotte dieser Segelfurzer. Unsere Jungs und Mädels geben ihnen Saures. Vorwärts Leute, legt euch in die Riemen.“

Ich hielt Gunnar am Oberarm fest, als er zum Heck eilen wollte, und sagte ernst: „Es ist Thorwal, das brennt! Sieh es ein. Wir können unseren Leuten nicht mehr helfen. Setz lieber Kurs Nordost, denn wir müssen den Liebfeldern ausweichen, sonst sind wir verloren.“ „Ich werde doch nicht kneifen!“ schrie er mich an. „Und auf eine Verräterin wie dich höre ich nicht. Du hast doch Geschäfte mit diesen Affenärschen gemacht.“ Er wollte sich abwenden, doch meine linke Hand, die immer noch auf seinem Oberarm lag, riß ihn wieder zu mir herum und meine flache Rechte klatsche in sein Gesicht. Die kräftige Backpfeife überraschte Gunnar so sehr, daß er auf das Deck klatschte und dort auf seinen dummen Arsch sitzen blieb.

„Nenn mich noch einmal eine Verräterin,“ knurrte ich, „und du kannst deine Zähne mit gebrochenen Händen von den Planken aufsammeln, auf denen du gerade sitzt. Und jetzt setze endlich Kurs auf Nordost, oder ich nehme deine Nußschale mit meinem Töchterchen und Tore zusammen auseinander.“

Gunnar erhob sich, nickte, und ging zum Steuerruder. Seine Ottajasko, die bei meinem Angriff auf ihren Hetmann von ihren Ruderbänken gesprungen war, starrte uns noch ein paar Augenblicke feindselig an, doch dann riefen sie die Befehle ihres Hetmannes an die Ruder, und die Mannschaft folgte. Während der Drache auf den neuen Kurs einschwenkte, starrten Rottmar, Tore, ich und alle anderen, die nicht rudern mußten, auf das rote Glühen, das von Thorwal herüber schimmerte. Jetzt erschien es mir noch mehr wie eine Dämmerung. Doch nicht wie eine hoffnungsvolle Morgendämmerung, sondern wie die Abenddämmerung zur finstersten Nacht unseres Volkes.

Wir waren erstaunt, als wir im erstem Licht des 13.Praios die Flotte der Horasier am Horizont ausgemacht hatten. Sie hatte Kurs West genommen und wir fragten uns, ob ihr nächstes Ziel wohl Prem sei. Aber warum schlugen sie dann nicht den Kurs entlang der Küste ein, um eventuell gefährliche Häfen außer Gefecht zu setzen, wie es die beste Taktik wäre? Verstehe einer, was Hesinde diesen Horasiern eingibt.

Wir segelten nach dieser Sichtung vorsichtig an der Küste entlang, bis wir sicher waren, daß in und um Thorwal kein Liebfelder mehr anwesend war.

Gegen Mittag erreichten wir Thorwal, oder besser gesagt, das, was davon übrig war. Es war furchtbar. Nur wenige Gebäude auf der Seeseite der Stadt hatten den Angriff überstanden. Ich bemerkte kaum, wie mir die Tränen die Wangen herabliefen. Und nicht nur mir: Spätestens als wir die Ruinen des Swafnirtempels erblickten, brachen selbst die härtesten Frauen und Männer in Tränen aus.

Als wir im zerstörten Thorwaler Hafen anlegten, nahm ich Gunnar Hjalfsson beiseite. Es stank furchtbar nach Rauch, Hylailer Öl und verbranntem Fleisch. „Hier, nimm diesen Beutel,“ ich drückte ihm eine meiner Geldkatzen in die Hand, „fahre meine Tochter, Tore und so viele Flüchtlinge, wie dein stolzer Drache fassen kann, nach Prem.“ Gunnar stutzte, warf einen Blick in den Beutel und meinte: „Das ist viel zuviel.“ Ich antwortete: „Dann mach die Fahrt noch mal und hole noch ein paar. Verteil den Rest unter denen, die alles verloren haben. Ich muß weiter, wahrscheinlich wird mich meine Reise nach Vinsalt führen.“

Gunnar steckte die Geldkatze ein und streckte mir die Hand hin. Seine Augen waren frei von Wut auf mich, aber voller Trauer. „Dann gute Reise, Algrid Hjalske,“ wünschte er mir, als wir uns die Hand gaben. „Du hattest recht. Wir wären verloren gewesen gegen die Lackaffen. Danke!“ Seine Stimme war rauh, aber ehrlich. Ich klopfte ihm auf die Schulter und verließ mit einem letzten Kopfnicken die Gischtwind. Auf dem Kai standen Tore und Rottmar engumschlungen, als wäre jeweils der andere der Rettungsanker im schlimmsten Rondrikan. Ihre Gesichter waren, wie auch meines, von Tränen und Asche verschmiert. Ich trat zu den beiden und umarmte sie gleichzeitig. „Oh Mutter, was sollen wir tun,“ fragte Rottmar verzweifelt. „Kehrt nach Prem zurück und schickt Hilfe hierher. Als Oberhaupt der Sippe Hjalske befehle ich, daß 20 Fass Rotbrand nach Thorwal gebracht werden sollen. Schickt außerdem einige unserer Zimmerleute, damit sie beim Wiederaufbau helfen. Tore, am bestem führst du den Zug nach Thorwal und du, Rottmar, leitest das Geschäft. Was Olgerda getan hat ist vielleicht unentschuldbar, aber nichts auf dem Derenrund kann diesen Angriff rechtfertigen. Ich weiß nicht, wie lange ich fort sein werde, daher ordne ich noch an, daß bis auf weiteres kein Rotbrand mehr an die Horasier geliefert werden darf. Vielleicht kann mir dies als Druckmittel auf meine Geschäftspartner hilfreich sein, vielleicht auch nicht, doch wir können nich einfach weiter mit diesen Unmenschen handeln, als wäre nichts geschehen.“ „Und du? Was willst du machen, Algrid,“ wollte Tore wissen. „Als Erstes werde ich Tronde aufsuchen und ihm klar machen, daß er keinen besseren Gesandten nach Vinsalt schicken kann als mich. Keiner sonst in Thorwal hat trefflichere im Lieblichen Feld.“ „Und dann?“ fragte Rottmar weiter. „Dann werde ich Fiaga ya Terdilion und Torvon Sandfort aufsuchen, und sie bitten, mir eine Audienz bei diesem intriganten Staats-Minister oder dieser verkalkten Amöbe-Horas selbst zu verschaffen.“ „Sei vorsichtig, Mutter!“ „Bin ich, Tochter,“ versprach ich Rottmar und drückte sie und Tore an mich. Danach ließ ich die beiden los und wandte mich in Richtung der Ottaskin der Hetleute, um den Hetmann zu suchen. „Swafnir mit dir,“ rief Tore mir noch nach. Ich drehte mich nicht noch einmal um, sonder hob nur noch einmal eine Hand zum Abschied. 'Mit uns allen', dachte ich. 'Oh Swafnir, steh uns bei in diesen schweren Zeiten! '